Ich liebe Papier – Florian Althans im Gespräch

Im Gespräch gibt Florian Althans Einblick in seine Motivation zur Verlagsgründung, seine Einordnung von eBooks in die gesellschaftliche Mediennutzung und nicht zuletzt in seine Leidenschaft für gedruckte Bücher.

Verlagsgründer Florian Althans

Fotografien © Martin Bockhacker/LightUp Studios 2016

BROTLOS: Du gibst elektronische Bücher heraus. Bist Du ein digitaler Mensch?

Althans: Überhaupt nicht. Ich bin ziemlich wertkonservativ, ich mag Analoges und ich liebe Papier. Doch durch meine Arbeit als Grafiker nutze ich seit rund 25 Jahren digitale Medien, um letztlich oft ein analoges Produkt, beispielsweise ein Magazin zu gestalten.

BROTLOS: Das heißt, Du kennst Dich darin aus, gedruckte Magazine oder Bücher zu gestalten. Weshalb hast Du dann einen Verlag für elektronische Bücher gegründet?

Althans: Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass elektronische Bücher eine sinnvolle Erweiterung unsere Medien darstellen. Für den einen liegt der Sinn darin, dass er hunderte von Büchern in einem kleinen, leichten Gerät mit auf Reisen nehmen kann. Für den anderen liegt der Reiz in den interaktiven Eigenarten des Mediums. Zum anderen handelt es sich um ein noch junges Medium, dass sich erst entwickelt, aus sich selbst heraus lernen muss, sich zwischen den anderen Medien einzuordnen und die Vernetzung zu diesen Medien zu bilden. Das ist ein reizvolles Thema für einen neuen Verlag. Zudem meine ich, dass elektronische Bücher ebenso Kulturgut werden wie gedruckte. Mit Blick auf die Besonderheiten digitaler, also nicht primär physischer Medien wird das sehr spannend werden.

BROTLOS: Woran denkst Du dabei?

Althans: Schaut einmal nur auf die Aspekte der Datensicherung, des Kopierschutzes, der Reproduzierbarkeit oder, gerade bei interaktiven Medien, auf die Veränderung und Weiterentwicklung von Inhalten. Da gibt es für das Kunsturhebergesetz einiges zu tun.

BROTLOS: Glaubst Du, dass eBooks gedruckte Bücher verdrängen werden?

Althans: (lacht) Um Himmels Willen, nein. Natürlich weiß niemand, wie die Zukunft ausschaut. Doch ebenso wenig könnte ich dann ausschließen, dass das eBook, wie wir es derzeit kennen, wieder verschwindet. Denkt einmal an das Thema Video oder CD. Derzeit können wir beobachten, dass gerade das Wachstum des Marktes für elektronische Bücher die Entwicklung des klassischen Buches oder auch des gedruckten Magazins sehr positiv beeinflusst. In den letzten Jahren kommen wieder verstärkt handwerklich schöne Bücher und liebevoll gestaltete Magazine in den Handel. Es entstehen kleine, neue und unabhängige Verlage. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die Qualität im Buchmarkt steigt spürbar.

BROTLOS: Was verstehst Du denn, neben dem Inhalt, unter einem guten Buch?

Althans: Wenn wir uns gedruckte Bücher anschauen, zählt für mich als Grafiker natürlich die Typografie, Schriftwahl und Satz, dazu. Die Wahl des Papiers, die Haptik ist sehr wichtig. Dann der Einband, das Format, die Bindung. Buchbinden ist ein traditionelles Handwerk. Doch auch die Illustration hat einen besonderen Stellenwert für mich, vom Exlibri bis zur Bebilderung eines gesamten Werkes. Und einen besonderen Reiz üben Bücher auf mich aus, die vor allem visuell sind, wie beispielsweise Kunstbände. Wie geht der Gestalter des Buches mit den Texten um? Schenkt er ihnen Aufmerksamkeit? Korrespondiert die Typografie und der Satz mit den Bildern? Und diese Aspekte spielen für mich bei der Gestaltung eines elektronischen Buches eine ebenso wichtige Rolle. Manche dieser Aspekte muss man nun in das neue Medium transferieren, sie neu reflektieren und den Eigenarten des digitalen und interaktiven Mediums anpassen.

BROTLOS: Für Dich ist also ein eBook nicht nur die elektronische Variante eines gedruckten Werkes?

Althans: Diese Definition ist legitim. Wenn ein Verlag sein gedrucktes Buch als digitalisiertes eBook herausgibt, ist das in Ordnung. Doch das ist mir zu wenig. Unsere Bücher sollen ja gerade die Eigenarten des digitalen Mediums nutzen und so dem Leser andere, neue Möglichkeiten schenken, sich mit einem Buch zu befassen. Daher sind die Bücher unseres Verlages meist auch nur auf einem Tablet, nicht aber auf einem eBook-Reader zu lesen.

Verlagsgründer Florian Althans, BROTLOS Verlag

Mit einem elektronischen Buch haben wir die Möglichkeit, eine Geschichte völlig offen und immer wieder neu zu erzählen. Das kann ein gedrucktes Buch nicht.Florian Althans

BROTLOS: Was sind das für Eigenarten?

Althans: Elektronische Bücher geben uns die Möglichkeit, nicht nur Rezipient einer Geschichte zu sein. Wir können in den Inhalt eingreifen und zum Akteur der Handlung werden. Wir haben die Möglichkeit, lineare Handlungsabläufe aufzubrechen und neu zu strukturieren. Wir können Texte, Klänge oder Bilder verändern. Wir können Bilder und Töne zum Leben erwecken oder Handlungselemente völlig neu anordnen. Mit einem elektronischen Buch haben wir die Möglichkeit, eine Geschichte völlig offen und immer wieder neu zu erzählen. Das kann ein gedrucktes Buch nicht. Darin liegt für mich der Reiz und die Begründung, mich mit dem BROTLOS Verlag auf solche Bücher zu fokussieren.

BROTLOS: Dein Verlag setzt einen Schwerpunkt auf künstlerische und grafische Bücher. Funktioniert ein digitaler Kunstkatalog?

Althans: Das Ausgabemedium, das Tablet, nimmt uns zunächst einmal etwas. Es kann uns nicht die wundervolle, sinnliche Haptik eines hochwertigen Bilderdruckpapiers geben. Und auch im Format des Buches sind wir eingeschränkt, sogar im weiteren Sinne genormt und gleich geschaltet. Doch andererseits kann uns ein elektronischer Kunstkatalog manches geben, was das gedruckte Werk nicht kann. Zum einen sind da die brillanten, leuchtenden Farben durch die digitale Darstellung. Und wir können zum Beispiel den Entstehungsprozess eines Bildes filmisch darstellen. Denkbar sind auch akustische Elemente, ob nun ein Interview mit dem Künstler oder Klänge, Musik, die Bezug zu den Bildern nehmen. Nehmt einmal Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“. Natürlich kannst Du ein Buch drucken und eine Musik-CD in den Einband legen. Doch mit einem elektronischen Buch hast Du ganz andere Möglichkeiten, Bilder und Klänge miteinander spielen zu lassen. Nicht zuletzt kannst Du sogar den Leser Einfluss auf die Bilder nehmen lassen. Das wäre zum Beispiel in einem Band über Fluxus Art sehr spannend.

BROTLOS: Du wirst auch Kinderbücher herausgeben.

Althans: Unter anderem. Das ist naheliegend, denn gerade in diesem phantasievollen Genre gewinnt das Offene einer Geschichte, die Möglichkeit zur eigenen Gestaltung der Handlung an besonderer Bedeutung. Märchen, die ich verändern kann, herrlich.

BROTLOS: Bei aller Elektronik, sage uns noch etwas zum BROTLOS Shop.

Althans: Der Shop stellt die analoge, die sinnliche Seite von BROTLOS dar. Auf der einen Seite haben wir die elektronischen Bücher, die uns durch ihren interaktiven Inhalt ansprechen. Auf der anderen Seite ist da unser Shop, in dem wir ausgewählte Illustrationen, Grafiken, Fotografien und Bilder aus unseren Büchern anbieten. Wir wollen hier kein Merchandising betreiben. Wir bewegen uns in einem hohen Preissegment, da wir besondere Ansprüche an die Qualität unserer Drucke stellen. Ihr findet hier Poster als UV Artprints oder auf Büttenpapier, Drucke auf Aluminium, Acryl, Holz oder Baumwolle. Wir arbeiten meist im 6-Farbdruck und bis auf die limitierten Auflagen wird jedes Produkt individuell erst bei Bestellung gedruckt. Es soll Freude bereiten, die Drucke zu berühren, die Materialien zu fühlen. Diese Ergänzung in unserem Verlagsprogramm ist mir sehr wichtig.

BROTLOS: Kommst Du selbst noch zum Lesen eines Buches?

Althans: (lacht) Meist nur durch meine Arbeit in der Agentur und im Verlag. Aber ich genieße es weiterhin, ein gutes gedrucktes Buch in der Hand zu halten und mich für meine Arbeit inspirieren zu lassen.

BROTLOS: Wir danken Dir für dieses Gespräch.